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Kunst, Experiment und Teilhabe.

 

Heute existierende Gemeinschaften dürfen es nicht zulassen, dass Kunst und Kultur weiterhin zu Instrumenten schleichender gesellschaftlicher Spaltung und Trennung werden.

 

Die Suche nach einer Neuverortung, nach Innovationen, führt gerade in der Kunst, oft zu Rückgriffen in die Mottenkiste vergangener, vor Jahrzehnten als revolutionär gelobter, jetzt eher reaktionärer Kunst- und Weltvorstellung. Heisst die Veranstaltung nun Eat-Art, Schlaf-Art, Pop-Art oder Zero: es ist die bekannte Event-Routine mit den Verweisen auf die Sterne des Gestern.
Eine Motivation es anders zu machen?

 

Es gibt augenscheinliche und von vielen gefühlte Tendenzen: Kunst wird dem Mehrheitswillen unterworfen. Wir finden es interessanter Kunst grundsätzlich zu hinterfragen, um wieder gemeinsam auf einer gesamtgesellschaftlich angenommenen kulturellen Ebene über Kunst diskutieren zu können. Dabei soll jeder Mensch mitmachen können. Es muss aber nicht jeder ein Caravaggio werden. Denn der Weg zur Kunst führt derzeit womöglich nicht mehr über die Malerei oder die Bildhauerei …

 

Die überall, beinahe wie „Pop-up-Menüs“ auftauchenden Salons scheinbar intellektueller Prägung, Privat-Festivals, Nebenher-Galerien, Séancen-Clubs, künstlerisch motivierten Gesprächskreise, Künstler-Kollektive und selbstverwalteten Ausstellungsforen spiegeln überdeutlich die entropischen Tendenzen der großen Museen und Kunstverwalter – oder reagieren auf die postulierten Notwendigkeiten gerne angemahnter, vermehrter künstlerischer Selbstvermarktung.
An sich nichts Verwerfliches, zeigt sich darin jedoch vor allem eine gewisse Ohnmacht, ein womöglich unbewusstes Interesse an der Suche nach neuen solidarischen Zusammenhängen, nach erstrebenswerten Lebens- und Arbeitsalternativen, in einer mittlerweile manifest gewordenen Wertvorstellung, bei der die schlichte Produkthaftigkeit von Kunst und Künstlern und ihre, unter dem Deckmantel der Freiheit längst geschehene politische Vereinnahmung, zementiert scheint.
Ein Zustand, der trotz seiner Unglaublichkeit eine viel zu lange Zeit nicht zu vermehrter Selbstkritik und Kritik geführt hat.
Erst jetzt werden die Verluste dieses kulturell nachhaltig wirkenden Geschehens von aufmerksamen Akteuren langsam deutlicher in Augenschein genommen.

 

So etwas wie eine Kraft des Illustrativen hat sich marktkonform breitgemacht und setzt sich wegen der simplen Nachvollziehbarkeit als Maßgabe und Wertvorstellung selbst bei der Beurteilung von Kunst immer wieder durch. Das Fassen des Unmöglichen in schlüssige Muster, in übersichtliche Bedeutungen und oft klischeehafte Bezugsebenen soll kontrollierte, vorhersehbare Nutzbarkeit möglich machen. Man fühlt sich erinnert. Sind dies nicht Tendenzen, die sich in anderen gesellschaftlichen und politischen Feldern ebenfalls längst abzeichnen?

 

Simplifizierung wird mit Teilhabe verwechselt, weil viele glauben möchten, die freie und damit unangenehm schlecht greifbare Kunst endlich endgültig erklären zu können, ja, Ihre Funktionsweise nun, vor allem nutzbar, verstanden zu haben.
Dieses Vorgehen hat jedoch nicht dazu beigetragen, dass mehr Menschen etwas durch oder mit Kunst erkennen wollen und daran teilhaben. De Facto spielt sich eine kaum einzuordnende Abwertung von Kunst vor unseren Augen ab zugunsten eines Produkts, das sich Kunst nennen darf. Begünstigt wird diese Entwicklung zusätzlich durch eine fortwährende Verwissenschaftlichung und zunehmende Eindimensionalität unserer Lebenswirklichkeit. Es formiert sich mit diesen Vorgaben eine geradezu demente Form eines Verständnisses von Kunst und Kultur: mit der Folge kultureller Selbstauflösung, oder besser: einer Vereinheitlichung.
Der Weg führt direkt über das anything goes weiter über das you can sell everthing but call it art bis hin zu nobody cares.

 

Dieses Wirksystem funktioniert nicht nur bei Kunst, sondern bei so gut wie allen Inhalten mit vorwiegend moralischer oder kultureller Zuordnung.
Langfristig werden so wichtige erkenntnisreiche Wege tiefen kulturellen Verständnisses für folgende Generationen verstellt.
Nicht der offensichtliche Zusammenhang von Geld und Kunst ist dabei ein zu bewertendes Problem (das war eigentlich nie das Problem), sondern die Einschränkung der Idee von Kunst auf seine Marketingdimension. Eine falsch interpretierte Kunst für Alle schüttet so jedes geliebte Kind einfach mit dem Bade aus, anstatt es mit mutigen Experimenten zu füttern, die diesen Namen verdienen.
Ein angeblich demokratischer Reflex wird so zum Grundstein eines grundlegenden kulturellen Mißverständisses.

Die Superstarisierung der Kultur ist ein unterschätztes Problem.

 

Kunst entleert sich in dieser Denkart automatisch – durch eine Art gönnerhafte Selbstverrieselung.
Die in finanzielle Korsetts gezwängte uneindeutig bleibende Rolle der meisten Museen, Kuratoren und Galerien sollte in dieser Hinsicht weit mehr beleuchtet werden.
Die Künstler selbst, die eigentlich nur mit neuen Formen der Solidarität dem Dilemma inhaltlicher Selbstauslöschung begegenen können, klammern sich an die kleinen Reste eines überlebten Genie-Kultes, an Ihre alten Hoffnungen nach Ruhm und Anerkennung oder stürzen sich direkt in den Kampf um Marktanteile.

 

Nun gut. Aber es geht auch anders.

 

Kunst, Experiment und Teilhabe kann bedeuten neue Wege dort zu entwickeln, wo gesellschaftliche Toleranz und Solidarität gefragt sind.
Dies kann zukünftig als Kunst erkannt werden.

 

Künstler machen Angebote. Dafür möchte ich ein Forum in den Räumen des ehemaligen Bahnhofs in Düsseldorf-Gerresheim anbieten.

Düsseldorf, April, 2015

Carsten Reinhold Schulz